Jörg läuft gegen Gewalt und sexuellen Missbrauch an Kindern und Jugendlichen:
„Kennen Sie das Gefühl in einem Albtraum panisch vor Angst weglaufen zu wollen aber nicht voran zu kommen, weil irgendetwas sie fest hält? Dann wachen Sie schweißgebadet auf und stellen erleichtert fest, dass es nur ein böser Traum war.
Als Kind hatte ich dieses Gefühl der Angst sehr oft – aufgewacht bin ich jedoch nie, mein Albtraum war real. Immer und immer wieder wurde ich von meinem damaligen Stiefvater sexuell missbraucht. Als ich irgendwann begriff, dass es für mich kein Aufwachen gibt, die Geschichte kein gutes Ende nehmen wird, geschah das, was bei allen Menschen in extremen Ausnahmesituationen eintritt. Die Seele schaltet in den Survival Modus um und verliert sich in der dunklen Unendlichkeit der Angst. Körper und Geist bleiben unvollkommen zurück und ertragen, was geschieht. Überleben wird zur einzigen Priorität.
Mehr als 30 Jahre habe ich geschwiegen, das dunkle Geheimnis in einem stillen inneren Kampf mit mir selbst ausgetragen. 2007 kam der Wendepunkt, ich begann zu laufen. Mit jedem Schritt gewann ich nicht nur an körperlicher Ausdauer. Ich spürte auch erstmals meine mentale Stärke und war mir sicher, dass ich mit ihr meine Angst besiegen und meine Seele wiederfinden würde.
Nach unzähligen gelaufenen Kilometern war es 2013 endlich soweit. Mit meinem Spendenprojekt „Jörg läuft gegen Missbrauch“ ging ich in die Offensive. Seit dem spreche ich öffentlich über den sexuellen Missbrauch, der für mich als Kind im Alter von 7 Jahren begann und bedingt durch die Folgen der Traumatisierung nie enden wird.
Laufen ist zu meiner persönlichen Art des Protestes gegen die unvorstellbaren Verbrechen an Kindern geworden. Ich will immer wieder daran erinnern, dass sexueller Kindesmissbrauch in allen Ausprägungen tagtäglich mitten unter uns stattfindet. Mir liegt es auch sehr am Herzen, auf die schwierige Situation der Opfer als Erwachsene hinzuweisen.
Ich laufe mit dem Ziel Opfern zu helfen – direkt, schnell und unkompliziert. Immer an meiner Seite läuft mein sibirischer Schlittenhund Nanuk.
Ein weiterer Meilenstein folgte 2015 – die Gründung der “Laufschule Westerwald”. Ich arbeite heute als Lauftherapeut mit dem Ziel, von sexuellem Missbrauch und sexualisierter Gewalt betroffenen Menschen Mut zu machen und ihnen zu zeigen, dass Laufen ein gesunder Weg zur Selbsthilfe ist.“